Quelle: https://adoptie.nl
- Juni 2019
Text Hélène van Beek
Cum laude. So hat Elvira Loibl ihren Doktorgrad am 15. Mai mit der Arbeit „Der länderübergreifende illegale Adoptionsmarkt: eine Kriminologische Studie des deutschen und nierländischen Systems der internationalen Adoption“ an der Universität Maastricht erlangt.
Die Jounalistin Hélène van Beek hat sich die 518 Seiten lange Dissertation angesehen und ein erstaunliches, gelinde gesagt bemerkenswertes, Fazit gezogen.
Loibl verglich die Regelungen der Niederlande und Deutschlands und kam zu dem Schluss, dass es in beiden Ländern zu wenig Kontrolle bei Adoptionen gibt. Und, dass die Interessen der – oft ungewollt kinderlosen – zukünftigen Adoptiveltern mehr zählen, als die des Kindes, das adoptiert werden soll und dessen biologischen Eltern.
Dieses Ergebnis sollte schockierend sein, ist es aber nicht. – Weil bereits allgemein bekannt ist, dass internationale Adoptionsverfahren oft sehr korrupt sind. Adoption wird nicht umsonst schon seit langer Zeit Kinderhandel genannt. Kinder werden unter Vortäuschung falscher Tatsachen von ihren biologischen Eltern getrennt und von Kinderheimen oder Krankenhäusern verkauft. Durch Dokumentenfälschung werden diese Adoptionen anschließend – wie Geld – gewaschen, sagt Loibl. Die Anzahl der Auslandsadoptionen ist weltweit um 80 Prozent gefallen, aber weil die Behörden sowohl der Herkunfts- als auch der Empfängerländer wegsehen, wird der Adoptionsmarkt weiterhin existieren.
Whistleblowerin Roelie Post
Wenn Missstände bekannt werden, dann hauptsächlich weil Journalisten sie enthüllen. Loibl erwähnt die TV Formate Zembla und Brandpunkt, die Adoptionsskandale in Bulgarien, Äthiopien und Sri Lanka publik machten. Argos (VPRO Radio) berichtete ebenfalls mehrmals über Korruption in Äthiopien. Und auch die Zeitung Trouw veröffentlichte vieles über unseriöse Adoptionspraktiken. Dies geschah oft nachdem sie Informationen durch die Niederländerin Roelie Post erhalten hatten. Post ist Autorin des Buchs „Romania for Export Only“ (2007) über korrupte Adoptionspraktiken zur Zeit von Rumäniens Beitritt zur Europäischen Union. Als Beamtin der EU-Kommission wurde sie mit Menschen- und Kinderrechten in Rumänien beauftragt. Sie wurde nicht als Whistleblowerin anerkannt und musste, nachdem sie ausgegrenzt wurde, viele Jahre einen erbitterten Kampf führen.
Roelie Post und Arun Dohle – der selbst mit einer „korrupten Adoptionsakte“ von Indien nach Deutschland adoptiert wurde – untersuchen und bekämpfen mit der von ihnen gegründeten Organisation Against Child Trafficking (ACT) seit mehr als zehn Jahren die weltweite Adoptionskorruption. Sie überzeugten Ina Hut, zu dem Zeitpunkt Leiterin der Adoptionsvermittlungsstelle Kinder der Welt (Wereldkinderen), von Missständen in China, Indien, Haiti und Äthiopien. Loibl zufolge konnte Hut bald selbst eins und eins zusammenzählen.
Tatsächlich habe Hut dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten die Korruption gemeldet, wie Loibl weiter ausführt. Aber das Ministerium intervenierte nicht, da Handelsinteressen wichtiger waren. Es war auch Hut, die Post und Dohle beauftragte Adoptionen aus Äthiopien zu untersuchen. Ihr „Fruits of Ethopia“-Bericht ergab, dass bei 19 der 25 Adoptionen (im Zeitraum von 2004-2009) Regelwidrigkeiten gefunden werden konnten. Dies weist ACT zufolge nicht auf nur ein paar zufällige „faule Äpfel“ hin, sondern auf ein korruptes System. Was Arun Dohle angeht, der sie intensiv bei der Bereitstellung von Beweisen für Adoptionsskandale unterstützt hat, ist Loibl dennoch nicht so positiv eingestellt: „Dessen Enthusiasmus und ja, manchmal sogar nervende Beharrlichkeit, mir sehr geholfen hat den dunklen Grund der Adoptionsindustrie zu erforschen.“ – Erstaunlich. Eine Wissenschaftlerin, die korrupte Adoptionen untersucht, beschreibt die Person, die sie bis ins Detail informiert, als „nervend“.
UN Kinderrechtskonvention
Loibl nennt eine Säule für Adoptionsverfahren, das Haager Adoptionsübereinkommen von 1993, ein „trojanisches Pferd“. Die Intention sei gut: illegalen Adoptionen vorzubeugen. Die Praxis spiegelt jedoch kaum die ethischen Standards des Vertrags wider, sagt sie. Die Empfängerländer, in diesem Fall die Niederlande und Deutschland, überprüfen entweder nicht genug oder es gibt zu wenig Kontrollen, was zur Folge hat, dass die korrupte Adoptionsindustrie weiterhin bestehen bleibt.
Folgt man den Kritiken, die von Post angeführt werden, macht Loibl einen grundlegenden Fehler: Nicht das Haager Adoptionsübereinkommen, sollte, wie es jetzt der Fall ist, Mittelpunkt von Adoptionsverfahren sein, sondern die UN Kinderrechtskonvention. Im Haager Adoptionsübereinkommen wird Adoption als Kinderschutzmaßnahme angesehen, was zur Folge hat, dass Adoptionen einfach werden und illegale Adoptionen legalisiert werden können. Nach Post unterminiert das Haager Adoptionsübereinkommen die UN Kinderrechtskonvention, welches besagt, dass ein Kind am besten in seiner eigenen Umgebung aufwachsen kann. Wenn biologische Eltern nicht in der Lage sind, es zu versorgen, soll die Unterbringung bei Verwandten oder anderen geprüft werden. Adoption wird zur extremen Ausnahme laut UN Kinderrechtskonvention.
Für Loibl ist das Haager Übereinkommen der Maßstab. Und obwohl sie ausgiebig beschreibt, wie und wo Korruption stattfindet, kommt sie nicht zu dem Schluss, dass die internationale Adoption gestoppt werden muss: Weil es immer zukünftige Eltern geben wird, die ein Kind adoptieren möchten und die ansonsten in den Untergrund gehen, argumentiert sie.
Pro-adoption lobby
Der niederländische Rat für Strafrechtsanwendung und Jugendschutz (RSJ), der auch bei Loibl erwähnt wird, empfahl im November 2016 internationale Adoptionen zu beenden. Diese Empfehlung starb einen leisen Tod. Ein wichtiger Grund dafür ist zweifellos die beispiellose Macht der Pro‑Adoptionslobby, auch in den Niederlanden. So werden internationale Adoptionen weiter durchgeführt und wandern von Land zu Land gefolgt von Skandalen und einem Adoptionsverbot.
Auch aus diesem Grund ist es verwunderlich, dass das Wort „Lobby“ nur zweimal in Loibls ausführlicher Dissertation vorkommt. Auf Seite 88: „Kritiker der internationalen Adoption stehen einer mächtigen Pro-Adoptionslobby gegenüber, die aus Politikern, Adoptiveltern, konservativen Think-Tanks und Juristen besteht, die das gravierende Ausmaß von illegalen und negativen Adoptionspraktiken leugnen.“ Die Arbeit geht dann aber nicht näher auf diese alles bestimmende Macht ein.
Erwähnenswert ist auch, dass der amerikanische Jurist, Prof. David Smolin (Samford Universität, USA), in ihrem Bewertungsausschuss ist. Er hat zwei Mädchen aus Indien adoptiert und wusste bereits als sie in Amerika aus dem Flugzeug stiegen, dass bei der Adoption etwas schief gelaufen war und dass „diese Kinder nicht in den USA sein wollten“. In der deutschen Dokumentation „Weltweit“ des WDR (09. Oktober 2008) sagt Smolin, dass es illegale Adoptionen aus einem Kinderheim betrifft, die ohne die Einwilligung der Mutter stattgefunden haben. Er und seine Fraau haben daraufhin diese Adoptionen legalisiert. Smolin ist jetzt ein anerkannter Adoptionskritiker.
Die Presse nahm wenig Notiz von Loibls Dissertation. Aber das Thema Adoption ist zur Zeit oft und negativ in den Nachrichten. Die TV Sendung Nieuwsuur veröffentlichte einen Beitrag über einen großangelegten Betrug, der Adoptionen in Haiti beinhaltete, bei denen die Kinder keine Waisen waren. Auch ein Komitee, geleitet durch Tjibbe Joustra untersucht aktuell „die Rolle und die Verantwortung der niederländischen Regierung bei internationalen Adoptionen“. Wird das Komitee zu anderen Schlüssen kommen, als Loibl? Das System versagt und in diesem System ist kein Platz mehr für Adoptionen.
Illegale adopties blijven mogelijk door wegkijkende instanties